Wissenschaftler:innen des Klimarats begrüßen die ausführliche Antwort der Regierung, kritisieren jedoch fehlende politische Signale (Pressemitteilung, 29.11.2022)
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Georg Kaser (Uni Innsbruck)
Marianne Penker (BOKU)
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Wissenschaftler:innen des Klimarats begrüßen die ausführliche Antwort der Regierung, kritisieren jedoch fehlende politische Signale
Wien, 29.11.2022, „Die Antwort der Regierung bildet eine solide Basis zur Umsetzung der Empfehlungen des Klimarats, nun geht es um schnelles Handeln. Der Klimarat hat in seinen Empfehlungen erarbeitet, welche gesellschaftlichen Strukturen es braucht, um klimafreundliches Alltagshandeln zu ermöglichen und bewiesen, dass Bürger:innen bereit sind, Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Nun braucht es rasches und entschlossenes staatliches Tun, eben diese Strukturen zu schaffen.“, befinden die Wissenschaftler:innen.
„Noch nie hat es in Österreich eine so umfangreiche Antwort von sieben Ministerien auf einen Bürger:innenbeteiligungsprozess gegeben“, zeigt sich Nachhaltigkeitsforscherin und externe Beraterin des Klimaschutzministeriums (BMK) für den Klimarat Ines Omann beeindruckt. Seit der Übergabe der Empfehlungen an die Bundesregierung Anfang Juli 2022 warteten sie auf eine Rückmeldung. Das Bundesministerium für Klimaschutz koordinierte seitdem schriftliche Stellungnahmen aller betroffenen Ministerien. Die nun erfolgte Rückmeldung auf die Empfehlungen ist der letzte Schritt im Prozess dieses Bürger:innenrats. Im Schreiben wird auf jede einzelne Empfehlung reagiert. „Mit dem 130 Seiten-Dokument liegt zwar eine inhaltlich ausführliche Stellungnahme vor, eine politische Ansage ist es leider noch nicht“ sagt Georg Kaser, Co-Leiter des wissenschaftlichen Beirats des Klimarats.
In der Mehrzahl der Stellungnahmen wird aufgezählt, was im jeweiligen Bereich schon gemacht wurde oder bereits in Planung ist. Was leider meistens fehlt sind zeitnahe Terminfestlegungen. „Doch was es jetzt braucht – erst recht seit der gescheiterten COP 27 in Sharm El-Sheikh – ist eine schnelle Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen auf Staats-, Länder- und Gemeindeebenen“, betont Kaser. In Bezug auf die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen zum Beispiel wird auf mehrere Studien verwiesen, die im Auftrag diverser Ministerien durchgeführt wurden und werden. Das Fazit des Antwortschreibens: „Auf dieser Grundlage kann unter Federführung des BMF ein Prozess zur Kategorisierung, Aufarbeitung und schrittweisen Abschaffung der einzelnen Subventionen aufgesetzt werden“. Ob und wann dies passieren wird, bleibt offen. Hier liegt der Ball wohl beim Finanzministerium.
Bei anderen Empfehlungen wird darauf verwiesen, dass die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen die Umsetzung nicht zulassen. „Das ist schade, denn der Auftrag der Bürger:innen war es nicht, die rechtliche Machbarkeit ihrer Empfehlungen zu bewerten. Sie waren sich bewusst, dass einige Gesetzesanpassungen bzw. Erlassung neuer Gesetze vorgenommen werden müssten. Hier könnte sich das BMK, für eine entsprechend rasche Anpassung der Gesetze einsetzen“, erklärt Marianne Penker.
Schließlich verweist das Antwortschreiben immer wieder auf Zuständigkeiten der Länder, Gemeinden oder EU. Die betreffenden Empfehlungen des Klimarates sollten als Auftrag der Bürger:innen an die Bundesregierung verstanden werden, im Dialog mit den anderen Akteuren rasche Umsetzungen voranzutreiben. Ein Beispiel dafür sind die Empfehlungen zum Stopp der Bodenversiegelung. „Fällt nicht in Zuständigkeit des Bundes“, „Die Empfehlung richtet sich an die Bundesländer“ und „Die Empfehlung richtet sich an den Verfassungsgesetzgeber“, ist in der Stellungnahme zu lesen.
In Bezug auf die vieldiskutierte Empfehlung nach einem Grundrecht auf Klimaschutz wird festgehalten, dass dies eine Verfassungsänderung bedürfe, für die es aktuell die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nicht gibt.
Insgesamt beweist der Klimarat eindringlich, dass der Weg in eine lebenswerte Zukunft nur gemeinsam mit der Wissenschaft und den Bürger:innen gelingt. Der Klimaforscher Georg Kaser dazu: „Die erarbeiteten Empfehlungen müssen für die Entscheidungsträger:innen der Republik als Signal gelten, wie weit Bürger:innen bereit sind zu gehen, wenn sie einmal die Problematik verstanden haben.“ Die Politik muss die Ergebnisse des Klimarats ernst nehmen. „Das herausragende Engagement der Bürger:innen und die Qualität der Empfehlungen verdient nun auch eine ernsthafte Prüfung durch das Parlament!“, so die Nachhaltigkeitsforscherin Marianne Penker.
Die Wissenschaftler:innen aus dem Beirat waren aktiv an und zwischen den sechs Wochenenden des Klimarats beteiligt und sind von dem gelungenen Prozess beeindruckt: „Es war für mich unerwartet und höchst eindrucksvoll, wie eine Gruppe von fast 100 österreichischen Bürger:innen aus allen Bevölkerungsschichten bereit war, wissenschaftliche Erkenntnisse aufzunehmen und in all ihrer Konsequenz für unsere Gesellschaft zu verstehen. Das Erkennen der Dringlichkeit zum Handeln angesichts der sich rasch zuspitzenden Klimakrise hat die Bürger:innen dazu befähigt, einen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten, der sie z.T. weit aus ihrer persönlichen Komfortzone herausholt.“, so Georg Kaser. Marianne Penker unterstreicht die Einzigartigkeit der Ergebnisse: „Der Lernprozess aller Beteiligten war eindrucksvoll. Durch die ausgezeichnete Moderation wurden die wissenschaftlichen Fakten mit dem Kontextwissen der Bürger:innen kombiniert und haben klar gemacht, was ihnen wichtig und auch zumutbar ist. Das hat ein für Österreich maßgeschneidertes und umfangreiches Maßnahmenbündel hervorgebracht, das es so bisher noch nicht gegeben hat.“
Auch der Umweltpsychologe Sebastian Seebauer unterstreicht die hohe Veränderungsbereitschaft in der Bevölkerung: „Wir wissen aus zahlreichen Umfragen, dass die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zum umfassendem Klimaschutz in ihrem Alltag bereit ist. Der Klimarat hat diese Bereitschaft in Empfehlungen gegossen.“ Die Stellungnahme aus den Fachabteilungen der Ministerien waren ein wichtiger nächster Schritt. Nun ist die Politik gefordert, auf die Bürger:innen zu hören; denn dafür wurde der Klimarat schließlich einberufen.
Die Stellungnahme der Bundesregierung zum Klimarat finden Sie hier: https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/klimaschutz/nat_klimapolitik/klimarat.htm