Herausforderung prekäre Arbeit
Expertinnen:
Johanna Neuhauser (Uni Wien)
Bettina Haidinger (FORBA)
Prekäre Arbeit, also Erwerbsarbeit, die nicht zur dauerhaften Existenzsicherung ausreicht, nimmt zu. Oft halten Unternehmen einzelner Branchen arbeits- und sozialrechtliche Standards nicht ein – bisweilen auch durch komplexe Konstruktionen des Sozialbetrugs, wie Gerlinde Titelbach vom IHS darstellte. Besonders häufig sind Migranten und Migrantinnen gezwungen, prekäre und gesundheitlich problematische Arbeit zu akzeptieren. Hier zeigt sich auch zusätzlicher Regulierungsbedarf bei der Leiharbeit.
Systemerhaltend, prekär, unsichtbar – Migrantische Arbeit in der Pandemie
Die Covid-19-Krise hat Fragmentierungen und Spaltungslinien in der Arbeitsgesellschaft verstärkt sichtbar gemacht. Öffentlich wurde vor allem thematisiert, dass in „systemerhaltenden“ Arbeitsbereichen viele Beschäftigte ohne österreichischen Pass tätig sind. Gerade das Ausbleiben migrantischer Ernte-helfer*innen oder Pflegekräften habe deren wirtschaftliche wie soziale Bedeutung für die Aufnahmegesellschaften verdeutlicht, stellte die Soziologin Johanna Neuhauser von der Uni Wien fest. Neuhauser untersucht in einem aktuellen Forschungsprojekt die Situation von Geflüchteten in der prekären Leiharbeit bei Hygiene Austria und der Post. Die Infektionscluster in Schlachthöfen oder Paketverteilzentren haben zudem gezeigt, dass migrantische Arbeiter*innen nicht nur verstärkt gesundheitlichen Gefahren, sondern auch besonders prekären Arbeitsverhältnissen ausgesetzt sind. Im Diskurs unterbelichtet blieben jedoch häufig die genaueren Zusammenhänge zwischen Migration und prekärer Arbeit. Die hohe Bedeutung von Migrierten für den österreichischen Arbeitsmarkt müsse mit Fokus auf die Pandemie adressiert werden.
Quelle:
Neuhauser, Johanna, & Birke, Peter (2021). Migrantische Arbeit unter Covid-19: Leerstellen in der Arbeitssoziologie. AIS-Studien, 14(2), 59-69
Durchsetzen von Arbeitsrechten als Maßnahme gegen prekäre Arbeit
Ein-Personen-Unternehmen, grenzüberschreitende Entsendungen, Arbeitskräfteüberlassung oder Teilzeitbeschäftigung sind Arbeitsverhältnisse, die nicht notwendigerweise, aber oft unter die Kategorie „prekär“ fallen. Nämlich dann, wenn das Ein-Personen-Unternehmen eigentlich scheinselbständig ist; wenn die entsandten Arbeitnehmer*innen mit den Löhnen ihres Herkunftslandes abgespeist werden; wenn die Leiharbeiter*innen nicht wie vorgesehen mit den in-house Beschäftigten gleichgestellt werden; wenn Teilzeitbeschäftigte Vollzeit arbeiten. In all diesen Fällen unterwandern Unternehmen arbeitsrechtliche Standards und manövrieren Arbeitnehmer*innen in schlechtere Arbeitsbedingungen als ihnen zustehen, stellt Bettina Haidinger von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt fest. Die Kontrolle, Erhebung, gerichtliche Verfolgung von arbeitsrechtlichen Verstößen sowie die Durchsetzung von vorenthaltenen Ansprüchen gegenüber dem Dienstgeber seien insofern wesentliche Maßnahmen gegen prekäre Arbeit. Hierfür sei eine bessere institutionelle Unterstützung von Arbeitnehmer*innen bei der Durchsetzung von Arbeitsstandards essenziell. Wie Haidinger zusammen mit Ulrike Papouschek (2021a) am Beispiel der Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) aufzeigt, sind effektive Kontrollen und die gerichtliche Verfolgung von arbeits- und sozialrechtlichen Verstößen wichtige und oft erfolgreiche Maßnahmen gegen prekäre Arbeit. Vorteilhaft wäre, auch in anderen Bereichen die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und Sozialpartnern zu verbessern. Die bestsehenden Rechte durchzusetzen, könne also schon ein wichtiger Beitrag gegen prekäre Arbeit sein.
Quelle:
Haidinger, Bettina; Papouschek, Ulrike (2021a) Strategisches Vorgehen gegen Un-terentlohnung in der Bauwirtschaft. Eine Fallstudie über die Bauarbeiter-Urlaubs-und Abfertigungskasse (BUAK). In WISO 44 (2), Seite 84-100
Haidinger, Bettina; Papouschek, Ulrike (2021): Co-Enforcement in der Bauwirtschaft – erfolgreiche Maßnahmen zur Durchsetzung von Arbeitsstandards. In: Wirtschaft und Gesellschaft 47(3), S. 361–380 L